Tag der Arbeit - im Zeichen des Mindestlohns!

Zehntausende beteiligen sich heute in der ganzen Schweiz an Demonstrationen zum Tag der Arbeit. In Basel setzten gegen 1500 Personen eine Zeichen für mehr Gerechtigkeit und einen fairen Lohn. Für die Unia, die grösste Gewerkschaft der Schweiz, steht die Mindestlohn-Initiative, die Lohngerechtigkeit bzw. Lohngleichheit und der Kampf gegen Lohndumping und die Diskriminierung ausländischer Arbeitnehmenden im Zentrum.

 

Unia-Co-Präsidentin Vania Alleva weist in ihrer 1. Mai-Rede in Zug darauf hin, wie wichtig die Annahme der Mindestlohn-Initiative am 18. Mai ist: «In der Schweiz sind nicht einmal die Hälfte aller Arbeitnehmenden durch einen GAV geschützt, weil sich viele Arbeitgeber weigern, zu verhandeln. Deshalb braucht es jetzt einen gesetzlichen Mindestlohn für alle, so wie das Gesetz auch Mindestansätze bei den Ferien oder bei der Arbeitszeit festlegt.» Der Mindestlohn bedeute mehr Schutz gegen Lohndumping für alle. Alleva kritisiert im reichen Kanton Zug zudem die immer ungerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen in der Schweiz: «Gerade letzte Woche wurde uns amtlich bestätigt, dass die hohen Einkommen in den letzten Jahren erneut kräftig angestiegen, die Löhne der schlecht Verdienenden aber gesunken sind. Stoppen wir diese Entwicklung — mit einem überzeugten Ja zur Mindestlohn-Initiative!»
 
Corinne Schärer, Mitglied der Unia-Geschäftsleitung, erinnert in ihrer Rede in Biel daran, dass von den 330'000 Personen, die weniger als 22 Franken pro Stunde bzw. 4000 Franken im Monat verdienen, 70 Prozent Frauen sind. Hinzu komme, dass sich in den letzten Jahren das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern wieder vergrössert habe. «Die Mindestlohn-Initiative ist das grösste Lohnanpassungsprogramm für Frauen, das wir zurzeit haben. Darum stimmen wir am 18. Mai Ja, damit der Tieflohnskandal endlich beendet wird.» Zudem kritisiert Schärer in ihrer Rede das antiquierte Frauenbild der Herren Arbeitgeber Bigler, Vogt und Müller: «Nach Gewerbeboss Bigler sind die tiefen Löhne nicht zu tief, denn es sind ja nur Frauen betroffen, die zum Lohn des Mannes hinzuverdienen. Es ist ein starkes Stück im 21. Jahrhundert, wenn den Frauen öffentlich das Recht abgesprochen wird, von ihrem Lohn für sich selber aufkommen zu können», so Schärer.
 
Gegen Lohndumping — für mehr Lohnschutz
Nico Lutz, GL-Mitglied und Leiter des Sektors Bau der Unia, stellt in Basel den Lohnschutz ins Zentrum: «Der Lohnschutz, den wir heute haben, ist auf die Hochkonjunktur ausgerichtet. Doch heute herrscht Krise in Europa. Und da reichen Schönwetterinstrumente nicht mehr aus.» Für Lohndumping und viele andere Probleme aber würden die Falschen die Rechnung bezahlen. «Dabei sind es nicht die KollegInnen ohne Schweizer Pass, die entscheiden, zu was für Löhnen sie hier arbeiten. Das Problem sind skrupellose Arbeitgeber, welche die Löhne und die Preise kaputt machen, weil sie Dumpinglöhne zahlen. Sie müssen wir bekämpfen.» Dazu brauche es griffigere Massnahmen zum Schutz von Löhnen und Arbeitsbedingungen «und eben auch einen Mindestlohn. Darum liegt unsere Mindestlohn-Initiative goldrichtig».
 
Unia-GL-Mitglied Rita Schiavi thematisiert in Schindellegi (SZ) neben dem Mindestlohn die Abstimmung vom 9. Februar. «Unsere Gesellschaft ist in den letzten Jahren unsolidarischer und ungerechter geworden. Egoismus ist salon- und mehrheitsfähig geworden. Fremdenfeindlichkeit zum Beispiel ist eine Form von Egoismus: Uns Schweizern soll es gut gehen, die Fremden sollen nur zu uns kommen dürfen, wenn sie uns nützen». Deshalb wolle die SVP wieder zurück zu einem Saisonnierstatut und ausländischen MigrantInnen den Familiennachzug verbieten. «Diese Haltung ist menschenverachtend, fremdenfeindlich und egoistisch. Als Gewerkschaft werden wir den Versuch, das Saisonnierstatut wieder einzuführen, mit allen Mitteln bekämpfen». Auch die Ecopop-Initiative sei weder «eco» noch «pop» und löse keine Probleme. Sie verdiene eine tüchtige Abfuhr.
 
Corrado Pardini, GL-Mitglied der Unia, Leiter des Sektors Industrie der Unia und SP-Nationalrat, betont die Wichtigkeit eines gerechten Wirtschaftssystems, denn: «Ein Wirtschaftssystem, in dem die Menschen sich fleissig mühen und doch von ihrer Arbeit nicht leben können, hat seine wirtschaftliche und moralische Berechtigung verloren.» Pardini mahnt vor dem Einzug der sozialen Kälte in die Gesellschaft und vor der Wiedereinführung des Saisonnierstatus: «Kontingente und ein neues Saisonnierstatut machen Arbeiterinnen und Arbeiter rechtlos, schutzlos, jeder Willkür ausgesetzt. Das drückt die Löhne aller und schwächt den Schutz und die Rechte aller Arbeitenden.» Und bringt es auf den Punkt: «Welche Schweiz wollen wir? Die Blocher Schweiz oder die freie, soziale Schweiz?»
 
«Dass Arbeitgeber und ihre Verbände wegen der Mindestlöhne über das Ende der erfolgreichen Schweizer Wirtschaft klagen, ist nichts Neues», erklärt Unia-Co-Präsident Renzo Ambrosetti in Fribourg. «Die Arbeitgeber haben noch jedes Mal, wenn es um sozialen Fortschritt ging, den Teufel an die Wand gemalt. Genauso bei der Abschaffung der Kinderarbeit, bei der Einführung und Verbesserung der Sozialversicherung oder bei den Ferien. Das Gegenteil ist wahr: Unsere Wirtschaft hat vom sozialen Fortschritt, den unsere Vorfahren erkämpft haben, keinen Schaden genommen, sondern vor allem enorm profitiert.» Ebenso falsch sei das Argument der Arbeitgeber, mit der Einführung von Mindestlöhnen gehe das Interesse an der Berufsbildung verloren. Und das «übelste Argument ist die Behauptung, mit einem Mindestlohn würden die am meisten betroffenen Arbeitnehmerinnen ihren Arbeitsplatz verlieren. Das ist nicht nur zynisch, sondern schlicht Angstmacherei.»