In eigener Sache: Wir trauern um Kurt Kobi

Kurt (Pongo) Kobi-Tschudin ist tot. Die Unia Nordwestschweiz und viele GewerkschafterInnnen trauern um einen engagierten und charismatischen Gewerkschafter. Ein persönlicher Nachruf auf einen aussergewöhnlichen Mann.

Persönliches zum Hinschied Kurt Kobis, Muttenz

Das war ein guter Mann!

Was viele in Muttenz, nicht wussten, wo alle ihn kannten und er alle: Kurt war nicht nur Gemeinderat verantwortlich für das Tiefbauwesen mit Dutzenden von Mitarbeitern. Er war auch oberster Personalvertreter bei der untergegangen Ciba Spezialiätenchemie. In dieser Funktion vertrat er die damals ca. 2700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Ciba –Standorte in der Schweiz, natürlich auch die der Romandie, mit denen er sich fliessend auf Französisch verständigen konnte, schliesslich hatte er sein Welschlandjahr als Laborant bei Givaudan, dem Duftstoffherstelle verbracht.

Die meisten Personalvertreter in der Schweiz sind bei einer Berufsorganisation oder einer Gewerkschaft organisiert,. Kurt war letzteres lange nicht. Er war nämlich als Laborant, Angestellter, nicht Arbeiter. Für ihn galt der Chemie-GAV nur indirekt, nicht direkt wie für die Arbeiter. Und Angestellte organisierten sich eher selten in der Gewerkschaft, sie waren als potenzielle Vorgesetzte auch nicht einfach erwünscht. Das Besondere in Kurts Geschichte ist, dass er einen Vater hatte, Walter Kobi, einer der historischen Arbeiterführer beim Aufbau einer Gewerkschaft in der chemischen Industrie und im Kampf um Abschluss und Ausgestaltung der Gesamtarbeitsverträge in der Chemie Nordwestschweiz. Dieser hatte ihn nie als Mitglied gewinnen wollen. Also blieb er der Gewerkschaft fern. Bis zum Moment, als er von uns Gewerkschaftssekretären angesprochen wurde. Wir brauchten Mitte neunziger Jahre glaubhafte Kandidatinnen und Kandidaten für die ersten Wahlen in eine neugeschaffene Angestelltenvertretung in der Ciba. Eine aus Wahlen hervorgegangene Personalvertretung (PV), die Arbeiterkommissionen, war bisher nur den Arbeitern vorbehalten, auch dies eine Errungenschaft im Rahmen des GAV. Den Walter-Kobi-Sohn kannten wir nur vom Hörensagen. Wir trafen uns mit ihm, informierten über das Was und das Wie. Er fragte uns aus, war willens, zu kandidieren, wurde gleichentags Mitglied bei der GBI (später Unia). Ein Umstand beunruhigte ihn: Würde er von der Arbeit freigestellt werden, wenn er als Präsident gewählt sei? Denn er ging in seinem Beruf als Cheflaborant auf mit Tätigkeit eher in Anlagen als in einem Labor. Wie sehr er in seinem Beruf geschätzt wurde, erfuhr ich später einmal von einem früheren Vorgesetzten, später Konzernleitungsmitglied bei Ciba und Novartis. Kurt, selber noch jung, hatte ihn, dem ETH-Ingenieur vor Mängeln in der Konstruktion einer neuen Anlage gewarnt und Alternativen vorgeschlagen. Aber er habe nicht auf einen Laboranten hören wollen, zu seinem Schaden, wie sich später herausgestellt habe.

Kurt gewann in den Wahlen, wurde freigestellt, arrangierte sich mit der neuen Situation und mit der Energie, die ihn auszeichnete, arbeitete er sich in eine ihm zunächst völlig fremde Materie ein: die Aufgaben, Rechte und Pflichte des Präsidenten einer PV, zunächst des Ciba Werks Schweizerhalle, dann nach der Abspaltung aus der Novartisfusion zu Ciba Spezialitätenchemie, Vertreter aller Beschäftigten ausser des Managements. Diese umfassenden Vertretungsrechte waren in einem neu abgeschlossenen GAV zwischen der Gewerkschaft, einer Angestelltenorganisation und der Ciba verankert. Im Verhandlungsprozess spielte Kurt eine verschwiegene, wirksame Rolle, auf die ich hier nicht eingehen will. Und einmal stoppte er ein gewerkschaftliches Flugblatt, weil es seiner Meinung nach Unwahrheiten enthielt und deshalb die Verhandlungen störte. Die aufwallende Kritik über diese Eigenmächtigkeit ertrug er stoisch.

Die ersten Monate des Bestehens der neuen Ciba bedeuteten eine grosse Herausforderung. Natürlich hatte er weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der PV, doch als Freigestelltem blieb doch die meiste Arbeit an ihm hängen, und die Arbeitgeber drängten: Neue Reglemente aller Art, die das Arbeitsleben betrafen, mussten minutiös geprüft werden, bevor die PV sie unterschrieb. Kurt arbeitete oft bis in die Nacht hinein, er wollte, wie schon als Berufsmann, nur Qualitätsarbeit abliefern. Daneben lief das Alltagsgeschäft eines PV-Präsidenten: Leute heraushauen, Sitzungen vorbereiten und leiten, Gespräche mit der Firma, Lohnverhandlungen, Gewerkschaftssitzungen...

Die Wiederwahl als Präsident trotz Gegenkandidat schaffte er glänzend. Da war er bereits Gemeinderat in Muttenz. Leider lief es mit Ciba nicht glänzend. Kurt schwieg nicht dazu. Er brachte seine leider nur allzu fundierte Kritik an den richtigen Stellen vor: zuletzt beim CEO und Präsidenten Herrn M. selbst. Als alles nichts half: An der Generalversammlung der Aktionäre, in einer präzisen, unpolemischen Rede. Dass er auftreten würde, hatte er angemeldet, die Rede vorher M. zugeschickt, der ihn aufforderte, sie nicht zu halten. Das konnte Kurt aber nicht, weil er sich den Beschäftigten verpflichtet fühlte, deren Zukunft er durch diese Führung verspielt sah. Er, der auf der Lohnliste der Ciba stand,  forderte den Chef auf, zurückzutreten. Dabei gab er sich keinen Illusionen über den Erfolg seiner ungewöhnlichen Intervention hin. Aber er musste es tun: Unerschrocken, mit klaren Worten, doch massvoll im Ausdruck.

Er, der sich selbst einen schlechten Gewerkschafter nannte, weil er nicht mit allem einverstanden, weil er sperrig war, weil er viele Sitzungen zu unproduktiv fand, er hat in den turbulenten Zeiten der Neuordnung der Chemiewelt Vieles und zum Teil Nachhaltiges für die Beschäftigten, die Gewerkschaft, und, wie ich meine, auch für die leider untergegangene Ciba, bewirkt. Wir haben zu danken. Und mir ist ein Freund gestorben.

Mathias Bonert, pens. Gewerkschaftssekretär